Descartes hat mit seinem Satz „cogito, ergo sum“ (ich denke, also bin ich) wie kein anderer Philosoph das Denken zur Grundlage des Menschenseins deklariert. Natürlich ist es leicht, das bewusste Denken als den zentralen Prozess des Menschenseins zu verstehen. Aber stimmt dies wirklich?
Machen wir doch ein einfaches Gedankenexperiment: wenn ich an Gewalt denke, bin ich dann ein Straftäter? Wenn ich daran denke, einen anderen Menschen zu beschenken, bin ich dann gleich ein Wohltäter?
Schon in diesem einfachen Gedankenexperiment wird deutlich, dass das bewusste Denken sich immer nur auf einen bestimmten Punkt fokussieren kann – genau wie das Sprechen auch. Macht dieser eine Fokuspunt das Menschsein aus? Wohl kaum.
Was das Menschsein viel eher ausmacht, ist die Summe der Erfahrungen und der Erlebnisse eines Menschen. Diesen Erfahrungsschatz könnte man also am ehesten als DAS Menschsein betrachten.
Die spannende Frage ist nun, wie wir auf diesen Erfahrungsschatz zurückgreifen können. Sicherlich können wir uns bewusst an ein einzelnes Ereignis in unserer Vergangenheit erinnern. Aber hilft uns das weiter, zu erkennen, wer wir selber sind?
Es gibt ein Denksystem, dass in der Lage ist, auf die allermeisten Erfahrungen und Erlebnisse simultan zuzugreifen. Der Persönlichkeitspsychologe Julius Kuhl nennt dieses System „Extensionsgedächtnis“. Dieses System kann auf den Erfahrungsschatz eines Menschen parallel und holistisch zugreifen und liefert als Ergebnis dieses Abgleichs ein Gefühl.
Das Selbstsystem oder sogenannte Extensionsgedächtnis wird vor allem dann wichtig, wenn es darum geht, soziale Interaktion in Sekundenschnelle einzuschätzen und zu bewerten. Wenn ich etwa einen mir vorher unbekannten Menschen treffe, dann weiß ich nach sehr kurzer Zeit, wie ich diesen Menschen einschätzen kann.