Motiviertes Lernen
Als erstes könnte man sich fragen, ob motiviertes Lernen überhaupt notwendig ist. Ist es nicht ebenso möglich, ohne Motivation zu lernen? Zumindest was den kurzfristigen Lernerfolg angeht, muss diese Frage bejaht werden: es ist möglich, ohne Motivation erfolgreich zu lernen. Die empirischen Ergebnisse aus unseren Zeitlaststudien zeigen allerdings auch, dass solch ein Lernerfolg ohne Motivation fast immer mit einer größeren gefühlten Anstrengung und einem höheren objektiven Zeitbedarf einhergeht. Es kann außerdem angenommen werden, dass die angeeigneten Wissenshalte schlechter abgerufen werden können – insbesondere, dass der Transfer auf neue Situationen gestört ist und eine gewisse Trägheit des so erworbenen Wissens bedingt.
Es kann also umgekehrt geschlussfolgert werden, dass motiviertes Lernen weniger persönliche Anstrengung verlangt, zeiteffektiver ist und das resultierende Wissen universeller anwendbar ist.
Diese Vorteile des motivierten Lernens sind unmittelbar damit verknüpft, dass die Zustände der intrinsischen Motivation mit dem schon im Blogpost 1 „Descartes Fehler“ beschriebenen Selbstsystem „Extensionsgedächtnis“ verknüpft sind. Das rechtshemisphärische Extensionsgedächtnis begleitet und ermöglicht die Internalisierungsprozesse, die nötig sind, um eine Lernaufgabe mit einer intrinsischen Motivation durchzuführen.
Hier erfüllt das Extensionsgedächtnis drei Funktionen:
- Es ermöglicht das Gefühl der Passung zwischen Lernaufgabe und Lernendem und schafft so die Entwicklung einer Verantwortungsübernahme für die Lernaufgabe.
- Das Extensionsgedächtnis begleitet auch das Erleben von Selbstwirksamkeit. Insbesondere, ob eine bestimmte Lernmethode oder Lernstrategie wirklich zu einem selber passt.
- In der tatsächlichen Ausführung der Lernhandlung wird über das Extensionsgedächtnis wahrgenommen, ob ich mich selbst mit den konkreten Lernprozessen auch weiterhin wohlfühle.
Die Aktivierung des Extensionsgedächtnisses im Lernprozess ist also die Voraussetzung für eine holistische Verknüpfung des Selbst mit allen Phasen des Lernprozesses. Eine große Übereinstimmung des Selbst und der Lernregulation führt dann zu den Effekten einer intrinsischen Motivation:
- Das Lernen fällt leicht und die Zeit vergeht wie im Flug (Flow-Erleben).
- Durch eine hohe Vernetzung mit dem Selbstsystem können viele Lernmethoden assoziiert werden, die im Lernverlauf flexibel eingesetzt werden können.
- Eine enge Verknüpfung mit dem Selbstsystem ermöglicht gleichzeitig eine bessere Selbstmotivierung, die einen konstruktiven Umgang mit Rückschlägen ermöglicht und ein – falls nötig – eine längere Beschäftigung mit dem Lernstoff garantiert.
- Schließlich resultiert die stärkere Vernetzung der erworbenen Wissensinhalte mit dem Selbstsystem einen flexibleren Abruf der Wissensinhalte in ganz unterschiedlichen Anwendungssituationen und fördert damit eine hohe Behaltensleistung.
Im nächsten Blogpost soll dann erläutert werden, wie eine Lernumgebung so gestaltet werden kann, dass ein möglichst hohe intrinsische Motivation beim Lernen entstehen kann (Motivated Design).
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