Dabei nimmt die Pädagogische Psychologie – das Fach das ich als Professor an der Medical School Hamburg vertrete – eine besondere Rolle ein. Lernen und Lernprozesse können aus Sicht der Pädagogischen Psychologie als Interaktion zwischen Umwelt und Person verstanden werden: wie reagiert das Individuum auf die Herausforderungen der Lernumwelt, etwa der Lernende auf die Ansprüche von Kindergarten, Schule und Universität? Und wie müssen Lernumwelten wie die Schule gestaltet werden, damit alle Lernenden ihre Potenziale entfalten können? Die Pädagogische Psychologie kann also eine Schlüsseldisziplin sein, wenn es um die Reflektionen, Begleitung, Vorhersage und Gestaltung von gesellschaftlichen Veränderungsprozessen geht. Beispiele hierfür sind Mobbying und Bullying deren Erklärungs- und Präventionsmechanismen in die digitalen Welten des Cybermobbying ung Cyberbullying übertragen werden können. Aus der theoriebasierten Ableitung wird etwa deutlich, dass Formen des relationalen Mobbings (ignorieren, isolieren, Gerüchte streuen und unbeliebt machen) ein deutlich höheres Schadenspotenzial in der digitalen Sphäre aufweisen – verbunden mit der Unmöglichkeit bei einem Teil der Cybertäter Empathie für mögliche Opfer zu wecken.
Studienwahl Pädagogische Psychologie: Berufsfelder
Die Pädagogische Psychologie ist aber nicht nur aus wissenschaftlicher Sicht ein sehr spannendes Gebiet, sondern lockt darüber hinaus mit einem großen praktischen Anwendungsfeld, dass viele Berufschancen für angehende Psychologinnen und Psychologen bietet. Allerdings ist für die allermeisten Berufsfelder ein Masterabschluss erforderlich. Prominent sind hierbei die Berufsfelder in Diagnostik, Beratung und dem schulpsychologischen Dienst. In diesen Feldern wird meistens in einem multidisziplinären Team gearbeitet, etwa in den weit über 4000 Frühförderstellen in ganz Deutschland. Ein ähnliches Betätigungsfeld für pädagogische Psychologie ergibt sich im Fort- und Weiterbildung in Wirtschaft, Gewerkschaft, Industrie und Berufsverbänden sowie privaten Bildungsanbietern. Weniger bekannt dürfte sein, dass es viele Stellen in der Bildung Evaluation und Beratung gibt, die sich mit der Steuerung von Bildungssystemen auf der Ebene von Kommunen oder Bundesländern sowie Bildungsinstitutionen wie Schule oder Hochschule beschäftigen. Steuerungswissen wird oft dadurch erzeugt, dass wissenschaftlich erzeugte Daten ausgewertet, interpretieren und die resultierenden Ergebnisse dann passgenau an die Adressaten zurückgemeldet werden.
Insgesamt gibt es also viele interessante Einsatzfelder für Pädagogische Psychologinnen und Psychologen, die je nach Ausrichtung eher wissenschaftlich, analytisch, konzeptionell, diagnostisch oder beratend ausgerichtet sind. In den meisten Bereichen werden – Stand Juni 2018 – Pädagogische Psychologinnen und Psychologen mit einem Masterabschluss gesucht. In fast allen aufgezählten Berufsfeldern gibt es natürlich Konkurrenz von anderen Ausbildungsgängen – etwa von Pädagogen. Für diese Konkurrenz sind Psychologinnen und Psychologen mit ihren spezifischen Fähigkeiten – etwa in der Diagnostik – in der Regel gut gewappnet. Nicht zuletzt ist die Pädagogische Psychologie auch ein gutes Rüstzeug für Selbstwachstum und Selbsterkenntnis: Erkenntnisse über das Lernen lernen lassen sich auf viele persönliche Lernsituationen übertragen.
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